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Lessing (Wolfenbüttelsches Fragment). Auffassung Christi

 

Dieser Auffassung liegt offenbar eine psychologische Beobachtung zugrunde.
Was Lessing nicht in den Kopf bekommen kann, ist dies, daß ein Mensch damit beginnen könne, religiös zu sein, ganz und gar, zuerst, ursprünglich religiös zu sein – es müsse vielmehr ein Späteres sein. Es müsse so zugehen: Ein Mensch giert nach dem Irdischen will König sein – das mißlingt, dann erklärt er sein ganzes Leben um, und tut, als sei es sein ursprünglicher Gedanke leiden zu wollen, so hat er doch das Verdienst daran.
Wenn wir Christus beiseite lassen, so ist natürlich eine gewisse Wahrheit in diesem Lessingschen.
Zum ersten ist da die Wahrheit, daß in gewissem Sinne das Religiöse auch nicht das Erste in einem Menschen sein kann, denn das Religiöse ist ein Absterben – also muß da doch wohl etwas sein, wovon man abstirbt.
Zum andern ist es auch ganz sicher oftmals im Leben so zugegangen, daß ein mißglücktes weltliches Streben sich selbst nachträglich umerklären und ein ursprünglich religiöses Streben sein will.
Indessen gibt es doch auch rein menschliche Existenzen, deren Erstes eigentlich das Religiöse ist. Dies sind solche Leidende, die schon vom frühesten an durch ein besonderes Leiden außerhalb des Allgemeinen gesetzt sind, denen der Genuß des Labens versagt ist, und die deshalb entweder rein Dämoniche (im bösen Sinne) werden müßten oder wesentlich religiöse Existenzen.
„Man wird euch vor Könige und Fürsten führen, aber fürchtet euch nicht, denn was ihr reden sollt, das wird euch zu derselbigen Stunde gegeben werden“.
Dies wird nun mit dem Beistand des Geistes erklärt, und das ganz richtig.
Aber die Sache hat ja auch eine rein menschliche Erklärung. Die Sache ist die: unser Reden ist etwas Künstliches und Unwahres, wir haben unser Leben in ganz anderen Katerorien, und so sitzen wir und quälen uns den Ausdruch ab, und sind in Verlegenheit vor Königen.
Aber denk der einen Menschen, der – einig mit sich selbst – verstanden hat: men Leben ist geopfert; nichts, nichts außer Leiden ist für mich zu erwarten – o, dies macht ihn so ernsthaft, daß er nicht leicht in Verlegenheit kommt, was er sagen solle, während es vielleicht (was ihn ja auch nicht beschäftigt, und eben darin liegt das Beheimnis) micht Whlredenheit und ganz und gar nicht Kunstrede wird. Er ist zu ernsthaft, um sich das Mindeste um die Welt zu kümmern: Ist dies Wahrheit in jemendem, so kommt man auch nicht leicht in Verlegenheit, was man sagen solle. Die Verlegenheit kommt eben daher, daß wir uns selbst und die Welt lieben; wer sich selbst und die Welt haßt, der wird rasch mit sich selbst einig, was er sagen solle.


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